Deutsches Recht in der Ehe?

Für die "Schweizer Revue" von Gerhard Lochmann, Schweizer Honorarkonsul und Rechtsanwalt in Emmendingen bei Freiburg i.Br.

Gravierende Folgen für die eheliche Vermögensverhältnisse

Die meisten Menschen machen sich bei ihrer Eheschließung und danach wenig Gedanken über die Rechtsfolgen. Bringt ein Ehegatte Vermögen mit, oder wird während der Ehe Vermögen erworben, regelt das schweizerische Familienrecht differenziert, wem was in der Ehe gehört und wie im Falle einer Ehescheidung oder eines Todesfalles verteilt wird. Ist ein Ehepaar damit nicht einverstanden, kann es durch einen Ehevertrag die Vermögenssituation in den gesetzlichen Grenzen nach eigenem Gutdünken gestalten. Daran denken aber die wenigsten Paare und belassen es beim gesetzlichen Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung. Wird Vermögen dann in einer langen Ehedauer aufgebaut oder kommt nach dem Tod der eigenen Eltern Erbvermögen dazu, wäre dies erneut ein Anlass, darüber nachzudenken, ob man nicht eigene Vorstellungen entwickeln sollte, wem dieser Zuwachs zusteht und wie er einmal in der eigenen Familie weitergegeben werden soll.

Ein Umzug nach Deutschland ist nicht nur ein beeindruckender Ortswechsel und das Kennenlernen neuer gesellschaftlicher Verhältnisse. Der neue Lebensmittelpunkt – auch wenn er nur für einige Jahre geplant ist – ist auch ein Wechsel in einen neuen Rechtskreis. Welche gesetzlichen Regeln jetzt für das Vermögen der Eheleute gelten, ist manches Mal kompliziert, aber immer einen Gedanken wert.

Ein schweizerischer Ehevertrag gilt nach der Ansicht beider Staaten weiter. Ob das aber auch praktisch ist, steht auf einem anderen Blatt.
Das deutsche Erbrecht begünstigt nämlich bei den Erbquoten nur die deutsche Zugewinngemeinschaft. Fehlt es daran, wie bei einem schweizerischen Ehevertrag, halbiert sich die Erbquote des Ehegatten.

Hat ein schweizerisches Ehepaar in der Schweiz keinen Ehevertrag abgeschlossen, kommt das deutsche und das schweizerische Internationale Privatrecht über die Folgen des Umzugs zu gegensätzlichen Ergebnissen:
Aus Schweizer Sicht führt der Umzug automatisch zu einem Wechsel in den deutschen Rechtskreis mit der Folge, dass nun die Vermögensverhältnisse dem deutschen Recht unterliegen. Wer denkt schon daran, dass aus dieser Sicht mit dem Umzug auch ein Wechsel des Güterstandes verbunden ist, die ehelichen Vermögensverhältnisse also ab sofort dem Recht der deutschen Zugewinngemeinschaft unterliegen?

Aus deutscher Rechtssicht gilt genau das Gegenteil: Das deutsche Internationale Privatrecht unterstellt, dass der Güterstand, der bei der Eheschließung begründet wurde, so lange gilt, bis etwas anderes vereinbart wird. Es bleibt also beim gesetzlichen Güterstand der Schweiz, der Errungenschaftsbeteiligung.

Vielleicht sollten Sie sich also wirklich Gedanken machen.

Unabhängig davon, wie Sie sich entscheiden: In Deutschland spielt auch zwischen schweizerischen Eheleuten das Steuerrecht eine wichtige Rolle.

In der Schweiz ist man es nicht gewohnt, bei Vermögensübertragungen zwischen Eheleuten auch nur daran zu denken, dass Schenkungssteuern ausgelöst werden könnten. Fast alle Kantone besteuern Vermögensübertragungen innerhalb der Familie nicht. Dass das nach deutschen Steuerverhältnissen anders ist, soll nicht vorschnell den Schluss nahelegen, in Deutschland sei steuerlich alles schlechter. Man muss ein Steuersystem im Ganzen sehen und z.B. daran denken, dass es in Deutschland keine Vermögenssteuer gibt.

Übertragungen zwischen Ehegatten werden in Deutschland besteuert, wenn sie einen Freibetrag von 307.000 EUR übersteigen. Dieser Freibetrag kann alle 10 Jahre neu genutzt werden. Weil Kinder nach jedem Elternteil einen Freibetrag bei der Schenkungs- und Erbschaftsteuer von 205.000 EUR haben, gilt es frühzeitig zu planen. Schon ein kleineres Vermögen, das diesen Betrag übersteigt und das bei einem Ehegatten konzentriert ist, führt in einer 1-Kind-Familie zu einem Steueranfall. Hätte man es gleichmäßig verteilt, könnte das Kind statt 205.000 EUR 410.000 EUR steuerfrei von beiden Eltern erhalten. Deswegen sollte man in Deutschland frühzeitig daran denken, das Vermögen zwischen den Ehegatten so zu verteilen, dass das Kind nicht zur Kasse gebeten wird. Dazu kann es notwendig sein, über lange Fristen zu planen, um die Steuerfreibeträge zwischen den Ehegatten mehrfach zu nutzen.

Um es in einem Satz zu sagen: Schweizer in Deutschland sollten in groben Zügen wissen, wie sie sich die innerfamiliäre Vermögensweitergabe vorstellen, um frühzeitig Weichen zu stellen. Das gilt auch dann, wenn man vor hat, später in die Schweiz zurückzukehren. Man weiß ja nie, ob man diesen Plan auch verwirklicht.

Gemischt-staatliche Ehen – mehrfache Möglichkeiten

Heiratet eine Schweizerin einen Deutschen oder eine Deutsche einen Schweizer, gibt es keine gemeinsame Staatsangehörigkeit. Der Staat, in dem die Ehe geschlossen wird, besteht natürlich darauf, dass die Eheschließung selbst nach seinen Gesetzen vollzogen wird. Keiner der beiden Staaten besteht aber darauf, dass seine Rechtsordnung für die Ausgestaltung der Ehe, damit insbesondere für die ehelichen Vermögensverhältnisse gelten muss. Die Meinung, wir haben in der Schweiz geheiratet, also sind wir auch nach Schweizer Recht verheiratet, ist ein Trugschluss. Die Ehe wurde lediglich nach Schweizer Recht vollzogen. Dass sich diese Eheleute entscheiden können, nach welcher Rechtsordnung sie ihre Ehe durchführen wollen, wurde ihnen meistens bei der Eheschließung nicht gesagt. Deswegen haben auch nur wenige Ehepaare ausdrücklich durch einen Ehevertrag sich einer der beiden Rechtsordnungen unterstellt.

Was dann gilt, sehen die beiden Rechtsordnungen unterschiedlich, was zu Problemen führen kann.

Aus schweizerischer Sicht ist die Sache unproblematisch: Es gilt das Recht des Ehewohnortes. Wohnt das gemischt-staatliche Ehepaar also zuerst in der Schweiz, gilt so lange schweizerisches Eherecht. Beim Umzug nach Deutschland wechselt das gemischt-staatliche Ehepaar, wie das Schweizer Ehepaar oben, in den deutschen Rechtskreis und damit in den gesetzlichen deutschen Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Dass das von den meisten Ehepaaren nicht erkannt wird und sie später überrascht, steht auf einem anderen Blatt.

Die deutsche Rechtsordnung geht anders vor: Sie versteinert quasi die eheliche Situation zum Zeitpunkt der Eheschließung, so dass Ortswechsel keine Bedeutung haben.

Nach dem Umzug nach Deutschland kommt das deutsche Recht also zum gegenteiligen Ergebnis, dass die schweizerische Errungenschaftsbeteiligung trotz des Umzuges Bestand hat.

Der erste Ehewohnsitz ist entscheidend, nicht der Heiratsort. Zieht also das Ehepaar gleich bei der Hochzeit nach Deutschland, gilt auch aus deutscher Sicht für die Ehefolgen deutsches Recht. Das gilt auch, wenn in der Schweiz geheiratet wurde, weil es auf den Ort der Heirat ja nicht ankommt. Aus unterschiedlichen Gründen kommen dann beide Rechtsordnungen zum gleichen Ergebnis.

Ziehen die Eheleute später aber dann noch einmal um, z.B. nach Frankreich, wechselt aus schweizerischer Sicht erneut das Güterrecht ins französische Recht, während es aus deutscher Rechtssicht auch in Frankreich bei der deutschen Zugewinngemeinschaft bleibt.

Das klingt nicht nur kompliziert, sondern ist es auch. Bis es aber zu einer Vereinheitlichung der Auffassungen zumindest in Europa kommen wird, vergehen sicherlich noch 2 Generationen.

Was immer möglich ist: eine Rechtsordnung aktiv zu wählen. Gewählt werden kann das Eherecht jedes der beiden Ehegatten, aber auch das Wohnsitzeherecht. Unser Ehepaar ohne gemeinsame Staatsangehörigkeit, das nach Frankreich umgezogen ist, könnte also französisches Recht wählen. Haben sie dann ein halbes Leben in Frankreich verbracht und kehren zurück, bleibt es bei dieser Rechtswahl, es sei denn, die Eheleute entscheiden sich anders, was ihr gutes Recht ist und wechseln durch erneute Rechtswahl zurück ins deutsche oder schweizerische Recht. Innerhalb der jeweiligen Rechtsordnung gibt es höchst unterschiedliche Ausgestaltungen, z.B. auch die Gütertrennung und die Gütergemeinschaft.

Nach Schweizer Rechtsverständnis macht man diese Rechtswahl einfach durch eine schriftliche Erklärung. Das deutsche Recht will dafür einen notariellen Vertrag. Nach beiden Rechtsordnungen geht die Rechtswahl auch rückwirkend. Die rückwirkende Änderungsmöglichkeit ist nur bei der deutschen Erbschaftsteuer umstritten, setzt sich aber gerade durch.

Bevor man von dieser Möglichkeit der Rechtswahl Gebrauch macht, fragt man sich natürlich, welchen Sinn die eine oder andere Entscheidung hat und ob man wirklich Geld und Zeit dafür investieren soll, mit Beraterhilfe den richtigen Weg zu suchen.

Das deutsche und das Schweizer Recht sind eng verwandt. Aber gerade im Familien- und im Erbrecht sind sie am weitesten voneinander entfernt.

Ein Beispiel: Eltern schenken ihrer verheirateten Tochter ein kleines Aktienpaket und ein Stück Feld. Jahre später hat sich der Wert der Aktien verdoppelt und ist aus dem Feld Bauland geworden. Lässt sich die Tochter scheiden, nimmt sie nach Schweizer Recht (Errungenschaftsbeteiligung) Aktienpaket und Bauland einfach entschädigungslos mit. Nach deutschem Recht (Zugewinngemeinschaft) auch, sie muss aber die Wertsteigerung mit dem Ehepartner teilen, was teuer werden kann.

Das Eherecht hat nicht nur für den Fall der Scheidung Bedeutung. Letztendlich bestimmt das Eherecht auch, wieviel für Kinder herauskommt, wenn sie in einem Erbfall nach ihren Eltern Pflichtteilsansprüche geltend machen. Dass bei dieser Rechtswahl aus deutscher Sicht auch noch steuerliche Gründe eine Rolle spielen, macht die Sache nicht einfacher, ja ist häufig der entscheidende Grund, eine bestimmte Rechtswahl zu treffen oder eine bereits getroffene Rechtswahl nachträglich noch zu verändern.

Mit dem Umzug nach Deutschland ändert sich auch das Erbrecht

Zurück zu unserem schweizerischen Ehepaar, das nach Deutschland umzieht. Mit dem Umzug ändert sich die Umgebung, aber nicht die Denkungsweise. Deswegen bindet das deutsche Recht das Erbrecht an die Staatsangehörigkeit, aber nur für Deutsche. Das schweizerische Recht will mit dem Ortswechsel auch den Wechsel in das örtliche Recht.

Die gegensätzliche Anknüpfung einmal an der Staatsangehörigkeit, einmal am Ortsrecht, führt zu sich widersprechenden Ergebnissen.

Verstirbt ein Schweizer in Deutschland, kommen deutsche und schweizerische Behörden über das anzuwendende Erbrecht jedenfalls zu gegensätzlichen Entscheidungen: Aus schweizerischer Sicht gilt schweizerisches Recht, aus deutscher Sicht deutsches Erbrecht.

Beide Rechtsordnungen lassen aber eine Rechtswahl zu und damit hat der Schweizer ein Entscheidungsproblem.

Nach welcher Rechtsordnung lassen sich seine Ziele besser durchsetzen?
Für eine fundierte Entscheidung braucht es eine doppelte Analyse nach dem Recht beider Staaten.

Soll Vermögen nur an den Ehegatten und später an die gemeinsamen Kinder weitergegeben werden, wird das deutsche Recht als Ortsrecht in der Abwicklung praktikabler sein. Wird nämlich Schweizer Recht gewählt, entsteht daraus zugleich eine Zuständigkeit der schweizerischen Behörden. Diese wiederum sind aber mit den örtlichen Verhältnissen in Deutschland natürlich nicht vertraut.

Deutsches Erbschaftsteuerrecht gilt unabhängig von der erbrechtlichen Rechtswahl

Dem deutschen, wie dem schweizerischen Fiskus ist es gleichgültig, warum jemand etwas und auf welchem Wege erbt. Entscheidend ist der durchgeführte Vermögenstransfer und damit das Ergebnis, das dann erbschaftsteuerlich bewertet wird.

Welcher Staat wofür zuständig ist und wie er besteuert, ist im Doppelbesteuerungsabkommen zu den Erbschaftsteuern vom 30.11.1078 niedergelegt. Danach besteuern grundsätzlich zuerst einmal beide Staaten Liegenschaften und Betriebe am jeweiligen Lageort. Bewegliches Vermögen und Bankguthaben werden am Wohnsitz des Erblassers versteuert. Das ist für den Auslandschweizer vor allem wichtig, wenn er von seinen in der Schweiz lebenden Eltern erbt. Für dieses Erbe ist die Schweiz zuständig, wo in der Regel keine Erbschaftsteuer anfällt.

Ansatzpunkt für eine Besteuerung ist aber auch der deutsche Wohnsitz des Kindes. Auf diesen Steueransatz verzichtet Deutschland aber im Doppelbesteuerungsabkommen. Die Voraussetzungen dafür sind aber klar und eng festgelegt. Es muss sich beiderseits um Schweizer handeln, der Erblasser hatte seinen Wohnsitz in der Schweiz und es gibt keine deutschen Liegenschaften oder Betriebe.

Ziehen also Schweizer Eltern zu ihren Kindern vor dem Tod nach Deutschland, entfällt diese Ausnahme und es kommt in Deutschland zur Steuerpflicht.

In der Schweiz werden häufig Erbfälle schon unter Lebenden geregelt. Der schweizerische Erbvorbezug ist nach deutschem Steuerrecht aber eine Schenkung. Für diese Schenkung gibt es kein Doppelbesteuerungsabkommen, das auf eine deutsche Besteuerung verzichtet. Werden Erbfälle also in der Schweiz unter Lebenden geregelt und sind in Deutschland lebende Schweizer Kinder einzubeziehen, braucht es besondere, für das deutsche Steuerrecht zugeschnittene Regelungen, um keine Schenkungssteuer anfallen zu lassen.

Dabei kann durchaus daran gedacht werden, auch generationenübergreifend weiterzugeben. Der Verzicht der deutschen Besteuerung gilt nämlich nur einmal: Hat das Schweizer Kind in Deutschland geerbt und gibt es an seine Kinder in Deutschland weiter, spielt die Staatsangehörigkeit keine Rolle mehr. Es kann deshalb sinnvoll sein, direkt von der Großelterngeneration an die Enkel in Deutschland weiterzugeben.

Das sei an einem Beispiel erläutert:

Die Schweizer Großeltern denken daran, neben anderem ihr in der Schweiz stehendes Chalet an den einzigen in Deutschland lebenden Sohn in einem Testament weiterzugeben. Gibt der Sohn später das Chalet an seine Tochter, die Enkelin weiter, wird diese Weitergabe aufgrund des Lageortes in der Schweiz (in den meisten Schweizer Kantonen) steuerfrei sein. Deutschland würde aber den Verkehrswert dieses Chalets bei der Berechnung der deutschen Erbschaftsteuer auf das übrige Vermögen bei der Bestimmung des Steuersatzes miteinbeziehen. Das kann zu einem höheren Steuersatz beim deutschen Vermögen führen. Die richtige Alternative wäre deshalb, ein Testament der Großeltern, das zwar das Eigentum der Enkeltochter zuweist, den Sohn aber mit einem lebenslänglichen Nießbrauchsrecht am Chalet zum faktischen Nutzer macht. Das Chalet spielt dann beim Erbgang zwischen dem Vater und seiner Tochter steuerlich keine Rolle mehr.

Bedenke die Folgen

Eheliche Rechtsverhältnisse zu gestalten oder einen Erbgang zu planen, ist schon in der Schweiz, wie in Deutschland ein höchst individueller Vorgang. Unterschiedliche Ziele, Lebenskonzepte und verwandtschaftliche Bindungen sind wie stets nebst den steuerlichen Folgen zu bedenken. In Deutschland werden etwa nur in einem Drittel der Fälle, in denen dies notwendig wäre, tatsächlich die Konsequenzen gezogen und Verträge gestaltet oder Testamente errichtet.

Kommen aber auf den konkreten Fall möglicherweise zwei Rechtsordnungen zur Anwendung, die sich widersprechen können, sind Streit und gerichtliche Auseinandersetzungen mit enormem, internationalen Aufwand vorprogrammiert. Jeder Schweizer in Deutschland sollte dies bedenkend sich Überblick über seine konkrete Situation verschaffen.

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